Mit sicherem Schritt
Im Alter spüren viele Menschen, dass ihr Gang nicht mehr so stabil ist. Entlastende Gehhilfen können helfen, selbstständig mobil zu bleiben.
Viele ältere Menschen fühlen sich beim Gehen unsicher oder spüren ihre schmerzenden Gelenke. Eine willkommene Unterstützung sind dann entlastende Gehhilfen, zum Beispiel Handstock, Gehstock oder Mehrfußgehhilfe. Doch was ist für wen geeignet? „Stöcke eignen sich für diejenigen, die bloß etwas Unterstützung beim Laufen benötigen oder nur geringe Gleichgewichtsstörungen haben“, erläutert Waldemar Möllmann, Experte für Reha-Technik und Mitglied der Landesinnung Hessen für Orthopädie-Technik. Um sich mit einem Stock sicher fortzubewegen, müsse neben der Gehfähigkeit auch die Koordination ausreichend erhalten und genügend Kraft in Arm und Schultern vorhanden sein. „Bei schweren Koordinations- oder Gleichgewichtsstörungen wie etwa Schwindel sind Stöcke ungeeignet“, sagt Möllmann.
Mehrfußgehhilfe bietet mehr Halt als ein Stock
Eine Mehrfußgehhilfe mit drei, vier oder fünf Füßen gibt mehr Sicherheit und Halt. Sie steht von allein und ist zudem enorm belastbar. Sie kommt daher für Menschen in Betracht, deren Koordination und Gehfähigkeit zwar noch ausreichend erhalten ist, die aber eine Gehbehinderung haben, nur noch über einen funktionierenden Arm verfügen oder in ihrer Standsicherheit beeinträchtigt sind. Die Nachteile: Eine flüssige Gehbewegung ist mit einer Mehrfußgehhilfe nicht möglich, sie wiegt deutlich mehr als ein Stock und beansprucht mehr Platz. Wer nur sporadisch eine Gehhilfe benötigt, könnte mit einem Faltstock auskommen, der sich zudem kompakt verstaut mitführen lässt.
* Die Angabe bezieht sich auf Carbon
Sanitätshaus oder online?
Entlastende Gehhilfen mit CE-Kennzeichen gibt es zwar auch in Online-Shops, doch wer ein Modell sucht, das zur eigenen Größe, Handform und zum Gewicht passt, sollte in einem Sanitätshaus Stöcke aus unterschiedlichen Materialien und mit verschiedenen Griffen ausprobieren und vergleichen. Ein Handstock aus Holz muss überdies meistens in der Höhe individuell angepasst und akkurat gekürzt werden. Stöcke mit anatomischen Griffen oder einem so genannten Fischergriff sind nur einseitig nutzbar, also entweder für die rechte oder die linke Hand. Das gilt ebenso für die Mehrfußgehhilfe – es sei denn, das Modell verfügt über einen Universalgriff, der sich per Knopfdruck umdrehen lässt. Wer sich für einen höhenverstellbaren Stock entscheidet, sollte vor dem Kauf am Griff wackeln – wenn er klappert, ist das ein Hinweis auf lose Teile und ein Minuspunkt für die Kaufentscheidung. Bei einem faltbaren Reisestock ist darauf zu achten, dass der Stock beim Falten nicht knarrt. Gummipuffer oder die Gummikapsel am Fuß des Stocks sind ein weiteres Kauf-Kriterium. Das Material sollte nicht zu sehr nachgeben oder sich gar lösen. Von Zeit zu Zeit sollte überprüft werden, ob das Laufgummi abgelaufen oder rissig ist; dann muss es ausgetauscht werden.
Gehstöcke aus Carbon oder Leichtmetall sind per Druckknopf höhenverstellbar.
Mehrfußgehhilfen sind für Menschen mit einer Gehbehinderung eine große Hilfe.
Ärztlich verordnete Gehilfe
Ist eine entlastende Gehhilfe medizinisch notwendig, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die vertraglich vereinbarten Preise. Voraussetzung ist eine ärztliche Verordnung, etwa vom Hausarzt oder von der Hausärztin. Bei Privatversicherten hängt die Erstattung einer ärztlich verordneten Gehhilfe vom jeweiligen Versicherungsvertrag ab. Auch bei einem Pflegegrad ist die Krankenund nicht die Pflegekasse zuständig, denn Hand- und Gehstock sowie Mehrfußgehhilfe stehen im Hilfsmittelverzeichnis der Gesetzlichen Krankenversicherungen. „Es gibt immer ein bis zwei Standardmodelle aus Holz oder Leichtmetall, bei denen nur die gesetzliche Zuzahlung von maximal zehn Euro zu leisten ist“, erläutert Möllmann. Wer ein anderes Modell auswählt, weil es zum Beispiel eine bestimmte Farbe oder einen besonderen Griff hat, zahlt die Differenz selbst. Ein anatomischer Griff kann ebenfalls aus medizinischen Gründen verordnet werden. Bei den Mehrfußgehhilfen ist die Auswahl geringer, Möllmann zufolge übernehmen die gesetzlichen Krankenversicherungen in der Regel die Kosten. Carbon- und Faltstöcke müssen hingegen selbst bezahlt werden.
Wann ein Stock nicht mehr reicht
Wenn sich im Laufe der Zeit das Gangbild ändert, ist das ein deutliches Anzeichen dafür, dass ein Stock als Gehhilfe nicht mehr ausreicht. „Mit einem Stock sollte man genauso gerade gehen wie ohne Stock“, sagt der Experte. Viele neigen sich beim Gehen jedoch stark nach vorn oder zum Stock. „Man selbst merkt das leider immer erst zu spät, weil man sich rasch daran gewöhnt, so zu gehen.“ Die gebeugte Haltung lasse Gelenke und Wirbel verschleißen und könne Schmerzen in Beinen und Rücken verursachen. Am asymmetrischen Gangbild erkennen Angehörige und Freunde früher als die Betroffenen selbst, dass es Zeit ist, zu einer anderen Gehhilfe zu wechseln, etwa zum Rollator. Das gilt ebenso, wenn jemand schnell ermüdet, Schmerzen beim Laufen verspürt oder generell unsicherer geworden ist. Die Gefahr, über den Stock zu stolpern oder zu stürzen ist dann zu groß.
Von Mirjam Ulrich
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